Kinderförderprojekt "El Izote" El Salvador

Wir helfen Kindern!

Bericht des Besuchs im Projekt „El Izote“ in Mejicanos im März/April 2017

Der Überblick:

NEU: Mit einer gezielten Spende aus Deutschland wurde eine kleine Bibliothek – gewidmet Clemens Olbrich, dem früh verstorbenen Diakon in St. Aureus und Justina - in den Räumen des Projekts geschaffen.  

NEU: Seit Ostern gibt es eine zusätzliche Vollzeitkraft zu den vorhandenen zwei vollen Stellen und einer halben.

STATUS: Insgesamt sind die Räumlichkeiten (für salvadorianische Verhältnisse) gut und nach außen abgeschirmt. Sie bieten Kindern wie Betreuerinnen ausreichend Platz.

Die Stadtverwaltung trägt die Gebäudekosten.  

Die Eltern zahlen (täglich) einen kleinen Obolus.

Es werden zwischen 35 und 40 Kinder (morgens Kindergarten, nachmittags Hort) betreut, es gibt zudem eine Warteliste.  

BLICK NACH VORN: Pläne für notwendige Neu-/Ersatzbeschaffungen liegen vor.   

Fazit: Wir sind sehr überzeugt vom neuen Projekt El Izote in Mejicanos.

Die Lage hat sich gegenüber „Iberia“ ganz wesentlich verbessert („muchisimo mejor“).           

Elisabeth und Wolfgang Bentrup



Die Details:

Die Stadt Mejicanos und der Stadtteil Montreal

Die Städte San Salvador und Mejicanos gehen in einander über. Mejicanos hat schätzungsweise 150.000 Einwohner; das große Problem ist, dass mitten durch das Viertel Montreal die Trennungslinie der beiden verfeindeten Haupt-Maragruppen verläuft (Mara 18 und MS 13/Mara Salvatrucha). Die Straßenseiten zu wechseln kann tödlich sein.

Der Bürgermeister möchte den jeweiligen Stadtvierteln ein positives Image verleihen und lässt an großen Wänden und Mauern bunte, einheitliche Dekorationen anbringen.  

Laut Einschätzung der Pädagoginnen ist die Durchschnittsfamilie ärmer als in Iberia, viele Häuser haben kein fließendes Wasser, nicht alle Strom. Die Häuser sind oft sehr klein; mehrere Personen schlafen in einem Bett.  


Das Haus

Es liegt an einer Durchgangsstraße mit guter Busanbindung. Der Zugang erfolgt über eine gut verschließbare, große Tür. Dahinter kann ein Auto parken. Das Haus ist großzügig, hell, hat hohe Räume, alle Böden sind gefliest, die Wände sind bunt gestrichen.  


Die Finanzierung

Der Bürgermeister stellt das Haus (Miete beträgt $ 400), Wasser ($15) und Strom ($25) zur Verfügung. Darüber hinaus übernimmt die Behörde Reparaturkosten und Instandhaltungskosten (z. B. die Anbringung von Ventilatoren)   

Die Eltern der Vormittagskinder zahlen jeden Tag 25 Centavo, Nachmittagskinder weniger. Damit können Lebensmittel und das Trinkwasser gekauft werden. Das tägliche Bezahlen ist zwar aufwändig, hat sich aber bewährt, da die Eltern in der Regel keine größeren Beträge auf einmal bezahlen können.


Aufteilung der Räume

In der Küche gibt es noch keinen Wasseranschluss; laut Bürgermeisteramt soll dieser noch im Laufe des Aprils gelegt werden.  
Auf die Frage, warum die Küche nicht mit dem Spülraum zusammengelegt wurde, wurde gesagt, dass der Kühlschrank für die Kinder nicht offen zugängig sein dürfe.   

 

 

Die Unterstützung durch die Verwaltung

Unsere Gruppe, bestehend aus Isabel Depaz, Rike Stelz mit Lebensgefährten Michel Hansen, Ehepaar Bentrup, hatte einen offiziellen Termin beim Bürgermeister von Mejicanos. Er machte deutlich, dass er die Arbeit im Projekt schätzt und sie unterstützt. Im Wesentlichen wurden die Punkte bestätigt, die bei der Vertragsunterzeichnung festgelegt worden waren. Im Februar 2018 steht die Vertragsverlängerung an, im April 2018 finden die nächsten Bürgermeisterwahlen statt. Hoffentlich bleibt dieser Bürgermeister im Amt.  

   

Die Arbeit mit den Kindern

Am Vormittag kommen zwischen 20 und 26 Kinder im Alter zwischen 3 und 11 Jahren, am Nachmittag sind es nochmals ca. 15, in der Regel die älteren. Unserer Bezeichnung nach ist es am Vormittag ein Kindergarten, am Nachmittag ein Hort.

Begonnen wird morgens zwischen 8 und 9h mit offenem Anfang, der um 9 Uhr in einen Sitzkreis übergeht. Dann teilen sich die Kinder in zwei Gruppen: die Gruppe der Kleineren (10 Kinder, davon vier mit Beeinträchtigungen) arbeiten mit Claudia, die Älteren mit Miriam (max. 16 Kinder).

Miriam arbeitet nur halbtags, Isabel übernimmt eine Gruppe am Nachmittag. Die Schulkinder kommen zur Nachhilfe bzw. Hausaufgabenbetreuung, die jüngeren Geschwisterkinder – so sich zu Hause niemand um sie kümmern kann – werden mit betreut.  

Am Nachmittag gibt es einen kleinen Snack (Tortilla mit Bohnen, gebackene Bananen, Milchreis u. ä.); es wird jeden Tag geputzt und sorgfältig gespült. Das ist deshalb so wichtig, weil es Unmengen an Ameisen gibt. Grundsätzlich gibt es nur kaltes Wasser. Gespült wird mit einer starken, fettlösenden Paste.  

Bislang mussten Isabel und Claudia sämtliche Aufräum-und Putzarbeiten selbst tätigen, seit Osterdienstag gibt es eine zusätzliche Kraft (Sessia, 22 Jahre alt); sie arbeitet täglich 8 Stunden und bekommt dafür $ 10 pro Tag.  


Weitere Planungen und Anschaffungen

  • Grundsätzlich muss es in allen Räumen einen Decken-Ventilator geben. Wir konnten vier Exemplare kaufen, das Anbringen übernimmt die Stadt.
  • Die Abdeckung des Wasserbeckens ist marode und stellt eine Gefahr da, ebenso der völlig „zerfressene“ Türrahmen der Dusche.
  • Einige Tische und Stühle (sie wurden teilweise vor 9 bzw. 6 Jahren angeschafft) sind kaputt und stellen eine Verletzungsgefahr für Kinder dar.
  • Dringend benötigt werden kindersichere Garderobenhaken für Taschen und Rucksäcke.   

Aus dem Tätigkeitsbereich von Isabel Depaz

  • Es gibt eine Warteliste von 12-15 Kindern. Mit jeder Familie wird ein Aufnahmegespräch geführt.
  • Im Oktober/November wird sie Kontakt mit der Grundschule aufnehmen, um den Übergang der Kinder in die Schule zu besprechen.
  • Isabel bietet 2x in der Woche in der Bibliothek eine Sprechstunde für Eltern an;  
  • sie arbeitet auch mit einzelnen Kindern begleitend therapeutisch.
  • Es wird ein Jahresprogramm erarbeitet und den Eltern vorgestellt. Die Eltern sollen – im Rahmen des Möglichen – mit eingebunden werden (Gartenarbeit, Vorbereitung der Feste…)  

Ein ganz besonderes Ereignis – die Einweihung der Clemens-Olbrich-Bibliothek

Am vorletzten Tag vor den Osterferien war es soweit: die kleine Bibliothek, die nach Diakon Clemens Olbrich benannt ist, wurde feierlich eröffnet. Neben vielen Kindern, Müttern und Großmüttern und einem Vater kamen auch zwei Vertreter der Stadt. Wir hatten ein kleines, einstündiges Programm zusammengestellt und bei mehr als 35Grad hielten die über 60 Besucher*innen in der Eingangshalle (ohne Ventilator) tapfer aus.  

Wir überreichten zunächst die Kalender der Klasse 5a der Ernst-Reuter-Schule II (ERS II) an Kinder, die sich besonders hervorgetan hatten und überbrachten Grüße der Schulgemeinde.

Isabel erzählte dann von ihren Begegnungen mit Clemens Olbrich, der langjährigen Unterstützung ihrer Arbeit durch die Kirchengemeinde St. Aureus u. Justina, schließlich von seinem frühen Tod und der großartigen Spende anlässlich seiner Beerdigung. Zusammen mit den Geldern der ERS II konnten Bücher und Möbel angeschafft werden. Isabel Depaz betonte, dass dieser Bibliotheksraum ein Ort des Friedens und des gegenseitigen Respekts sei. Ein Foto von Clemens Olbrich hängt im Raum. Feierlich wurde die Schrift enthüllt, ein Band durchschnitten und die Anwesenden eingeladen, den neuen Raum in Besitz zu nehmen. Uns wurde gesagt, diese kleine Bibliothek sei die einzige in Mejicanos. Die Anwesenden waren sehr dankbar und begeistert. Mit einem kleinen Imbiss und Süßigkeiten endete dieser Tag.  


Ein Tag im Kindermuseum Tin Marin – ein Mitmach-Museum

Normalerweise ist de Besuch im Kindermuseum im Zentrum der Stadt San Salvador für die Familien nicht erschwinglich. Den Eintritt von $3 pro Person (ab 2 Jahre) können die meisten sich nicht leisten. Von den 25 Kindern (mit Anhang) kannte nur 1 Kind das Museum.

Die Stadt stellte den Bus, so dass für uns nur der Eintritt zu bezahlen war.

Die Kinder waren sehr diszipliniert, voller Begeisterung und genossen den Tag mit Mutter oder Großmutter. Besuchte Abteilungen waren:

  • Im Flugzeug (wir flogen nach Frankfurt)
  • Im Zug (eine Reise durch El Salvador)
  • Im Supermarkt  
  • Im Inneren eines Vulkan
  • Mein Mund /Zahnhygiene
  • Wie Seifenblasen entstehen
  • Kreative Bauelemente   

Zum Abschluss gab es Pizza und Coke (vom Museum) – ein unvergesslicher Tag für alle!  


Die Versammlung der Eltern

Am letzten Tag vor der Karwoche fand die erste Elternversammlung statt. Über 25 Mütter und Großmütter und ein Vater waren gekommen, auch Vertreter der Stadt.

Die wichtigsten Punkte waren:

Ø Gegenseitiges Kennenlernen

Ø Grußwort von uns

Ø Grußwort der Vertreter der Stadt

Ø Vorstellung der Montessori-Pädagogik

Ø Schwerpunkte der Arbeit

Ø Information über die Finanzierung  

Ø Vorstellung der Jahresplanung

Ø Gruppenarbeit zu folgenden Themen:

  • Gesunde Ernährung
  • Möglichkeiten der Bestrafung zu Hause
  • Regeln des Zusammenlebens zu Hause
  • Häusliche Hygiene
  • Werteerziehung  

Die Eltern diskutierten intensiv und lebhaft und stellten sich gegenseitig ihre Ergebnisse vor.

Viele sagten, sie hätten dies zum ersten Mal gemacht.  


Und was sonst noch geschah

An einem Donnerstagnachmittag verließen wir ein sauber geputztes Haus. Claudia erzählte noch, dass der „Kammerjäger“ da war und alle Räume ausräucherte. Die Folge am nächsten Tag war: Millionen von Ameisen fühlten sich aus ihren Bauten verscheucht und lagen bodenbedeckend auf den Fließen, und/oder krabbelten in langen Strängen die Wände entlang. Da half nur noch Gift!  

Wir trafen Eduardo, den jungen El Salvadorianer, der im Dezember hier in Oberursel von seiner Arbeit berichtete. Er arbeitete in einem Programm, das Bandenmitglieder unterstützte, die aussteigen wollten.

Er kann diese Tätigkeit nun nicht mehr ausüben, da sie für ihn und seine Familie zu gefährlich geworden war.  

Er schätzt die Lage (hinsichtlich der Bandentätigkeiten) für den Moment etwas entspannter ein, weil die jeweiligen Chefs umgebracht wurden, bzw. sich gegenseitig ermordeten.  

Alejandro hat den 1. Platz bei den Mittelamerikanischen Karatemeisterschaften gemacht.

Er kann im September an Vorauswahlkämpfen für Olympia in Leipzig teilnehmen (so er einen Sponsor für das Flugticket findet).  

Eines Morgens kam Claudia völlig verstört zur Arbeit. Sie erzählte unter Tränen, dass ihre fünf Katzen vergiftet worden waren und tot in der Wohnung lagen. Für ihre beiden Söhne waren die Tiere wichtige Bezugslebewesen; auf Grund ihrer autistischen Veranlagung schaffen sie es oft nicht, zu Menschen Kontakt aufzubauen, mit den Tieren war dies möglich.  

Es war unser Abschiedsabend: Wir trafen uns alle zum gemeinsamen Essen, als plötzlich die Erde bebte (kleinere Erdstöße hatten wir die Tage zuvor schon gespürt) und gleichzeitig ein heftiger Regen, gefolgt von Donner und Blitz einsetzte. Nicht nur wir, auch die Einheimischen hatten Angst, zitterten und weinten. Die Nachrichten meldeten eine Stärke von 5.1 auf der Richterskala, einen Toten und viele Schäden in Geschäften und einigen Straßen.  


Leben in San Salvador – Drei Lebensbilder

  • Eine Mutter, 25 J., begleitet ihre 5-jährige Tochter ins Kindermuseum. Sie erzählt, dass das Mädchen bei der Tante wohnt, weil sie sich nicht um sie kümmern könne. Sie arbeitet 10 Stunden am Tag als Straßenverkäuferin; Ihr 11-jähriger Sohn schwänzt die Schule, er hat schlechte Noten, geht aber regelmäßig ins Projekt. Den Lehrern ist es anscheinend egal. Isabel hat wiederholt Kontakt mit der Schule aufgenommen.  
  • Eine Mutter, allein erziehend, 2 Kinder (5J. und 1J.), gesteht Isabel (am Rande der Elternversammlung), dass sie ihr älteres Kind regelmäßig verprügelt, weil sie nachts völlig erschöpft nach Hause kommt (auch Straßenverkäuferin) und ihr Sohn (5 Jahre)u. U. nicht alle Hausaufgaben erledigt hat. Jetzt spricht er nicht mehr mit ihr. Vor vier Jahren wurde ihre Mutter vor ihren Augen ermordet, der Vater der Kinder sitzt im Gefängnis. Die Kinder werden von Großmutter und Urgroßmutter betreut.  
  • Eine Mutter, Mitte 30, erzählt: Vor 4 Jahren musste sie aus ihrem Viertel fliehen, weil die beiden Kinder von jeweils unterschiedlichen Vätern unterschiedlicher Mareros waren. Sie wohnt jetzt ca. 100 km entfernt, in einer kleinen Hütte einer Tante. Sie kann nicht mehr zu ihrer Familie zurück. Der älteren Jungen (16 J.) wurde ihr von Verwandten weg genommen, weil sie sich angeblich nicht genügend um ihn kümmere, er nicht ausreichend ernährt sei. Auch sie arbeitet als Straßenverkäuferin, 8-10 Stunden am Tag und verdient $ 160 im Monat. Der Mindestlohn beträgt derzeit $ 250 im Monat.